Sunday, October 15, 2006

Gedanken + Aufschreiben = Blog

Guten Tag! Folgend nun die schrittweise Erklärung für die unverzeihlich überdurchschnittliche Abstinenz meinerseits von dieser Seite:

1) Mid-Term + Fremdsprache = wahnsinnig viel Arbeit = wenig Zeit
Am letzten Donnerstag gab es in Kansas Herbstferien, was an sich eine sehr schöne Sache ist. Nur gehen diesen Ferien leider ein paar Prüfungen voraus, die auch ich zu bewältigen hatte. Zwar musste ich keine Tests oder Klausuren schreiben, wie es ansonsten üblich ist, sondern hatte zwei Examen, die ich mit nach Hause nehmen konnte, aber daher waren sie auch wesentlich schwerer und haben einen großen Zeitaufwand erfordert. Vor allem ist es noch ein wenig schwierig für mich auf akademischen Level auf Englisch zu schreiben. Das braucht dann schon seine Zeit und wenn man dann fertig ist, hat man weder Energie noch Lust noch weiter vor dem Computer zu sitzen und man hat auch nicht wirklich viel zu berichten, da man sich eh nur in der Bibliothek rumgetrieben und seine Nase in Bücher gesteckt hat.
Das also erstmal zur Erklärung und Entschuldigung. Trotz der vielen Arbeit sind natürlich trotzdem ein paar Dinge passiert, die vielleicht ganz lesenswert sind oder zumindest meinen Alltag in den letzten Wochen geprägt haben:

2) Ehemalige Studenten + Parade = Homecoming
Im Herbst wird an amerikanischen Universitäten traditionell Homecoming zelebriert. An diesem Wochenende kommen ehemalige Studenten aus den letzten Jahrzehnten zurück an die Uni, es gibt ein großes Footballspiel und verschiedene Veranstaltungen der einzelne Uni-Organisationen und Verbindungen zu Ehren der Ehemaligen. Und es gibt eine große Parade über den Campus, wo dann Wagen geschmückt werden und es einen Wettbewerb gibt, wer den schönsten Homecoming-Wagen hat. Sehr lustige Angelegenheit, die ich mir sehr gerne angeschaut habe. Gehört auf jeden Fall zum typisch amerikanischen Studentenalltag dazu und war einen Besuch wert.

3) Miete bezahlen + Ausländer sein = kaputte Füße (Kategorie: kann man machen - muss man aber nicht III)
An jedem ersten des Monats muss ich ja meine Miete bezahlen und da ich hier ja in einem der fortschrittlichsten Länder der westlichen Welt wohne, kann ich dass nicht per Internetüberweisung oder Dauerauftrag, sondern nur per Scheck machen. Nun ja, das Wetter an diesem Tag war überraschend sommerlich und so habe ich beschlossen, den Weg (gute 8 km, wie sich im Nachhinein herausstellte) einfach mal zu Fuß zurückzulegen. Nach der Hälfte des Weges war ich mir ziemlich sicher, dass das keine so großartige Idee gewesen ist und nach 3/4 hatte ich schon damit abgefunden auf der Terasse meines Vermieters zu schlafen, wenn ich niemanden finde, der mich zurückfahren kann. Auf dem Weg hörte irgendwann der Bürgersteig aus und ich musste wie das letzte Landei durch Gras stapfen und alle vorbeifahrenden Autofahren guckten mich ganz fassungslos an und ihr Blick sagte ganz deutlich: Was zur Hölle macht das Mädel da? Nach 1 1/2 Stunden hatte ich dann mein Ziel erreicht, unterschrieb mit zitternden Hand meinen Scheck und rief eine Freundin von mir an, mit der Bitte mich nach Hause zu fahren. Sie war auch schon fünf Minuten später zur Stelle, guckte mich mit dem mir bekannten Blick an, der sagt: Oh stupid german! und meinte dann: Warum hast Du den Scheck eigentlich nicht per Post geschickt? Das war der Moment, wo ich mir tatsächlich richtig blöd vorkam, denn Idee war mir wirklich zu gar keinem Zeitpunkt gekommen. Naja, wieder was gelernt und dazu noch etwas (zuviel) Sport gemacht.

4) Halloween + Verkleidung = Gothic-Party
Halloween ist in Amerika ja eine riesen Sache und praktisch sowas wie unser Fasching nur noch ein bisschen bekloppter. Annas Bruder hatte am Freitag, den 13. nun zur Gothic-Party geladen und da Anna stets bestrebt ist, mich am typisch amerikanischen Alltag teilhaben zu lassen, gab es natürlich auch für mich kein Entkommen. So wurde ich dann am Freitag in eine schwarz-rote Samtrobe geworfen, meine Augen wurden schwarz umrandet und in diesem Outfit sind wir dann nach Kansas City gefahren, wo die Party stattgefunden hat. Die Gastgeber hatten sich wirklich große Mühe gegeben. Das ganze Wohnzimmer war mit künstlichen Spinnweben "geschmückt", an der Wand hing eine Tapete, die einen Friedhof immitiert hat und im Fernsehen lief die Stumm-Film-Version von "Nosferatu". Ich wage zwar nach wie vor zu bezweifeln, dass das tatsächlich alles die Bezeichnung "Gothic" verdient hat, aber ich muss sagen, dass ich mir zum ersten Mal nach meinem 4. Lebensjahr nicht mehr blöd vorgekommen bin, weil ich ein Kostüm tragen musste, denn alle Beteiligten sind wirklich richtig in der Sache aufgegangen und haben sich große Mühe mit der Verkleidung gegeben. Ja, hatte schon einen großen Unterhaltungswert die Angelegenheit und Dank Anna kann ich nun eine weitere Sache auf der Liste der Dinge machen, die ein Durchschnittsamerikaner in seinem Leben erlebt.

5) 30 Leute + Wohnzimmer + begabter Musiker = Hauskonzert
Einer meiner Studenten, der selbst auch GTA ist, hatte mich zu einem Hauskonzert eingeladen, dass er bei sich zu Hause veranstaltet. Da er die Einladung mit der Aussage versehen hatte: Ich glaub Du musst echt mal raus! habe ich mir das natürlich zu Herzen genommen und mich am Samstag Abend gemeinsam mit Jörg auf in die Vorstadt gemacht. In absoluter Stille zwischen weiten Feldern liegt der kleine Ort, wo Ryan (mein Student) wohnt und wo an diesem Abend Singer/Songwriter Tom Kimmel gespielt hat. Ein unglaublich begabter Sänger und Gitarrist, der schon für Johnny Cash oder diverse Filmproduktionen Lieder geschrieben hat und der dann gestern Abend vor einer kleinen Runde gespielt und Geschichten aus seinem Leben erzählt hat. Danach hatte man noch Gelegenheit ganz entspannt mit ihm und den anderen Gästen bei einem Glas Wein zu plauschen. Sehr feine Sache, die wirklich sehr unterhaltsam und auch sehr entspannend war, mit sehr schöner Musik, die jetzt gerade bei mir im Hintergrund läuft....

6) Nachbarn = Aggression
Gestern Nacht hat es hier in Lawrence in Strömen gegossen und ich war darüber sehr froh, denn dadurch konnten die ganzen Studenten, die sich sonst vorzugsweise vor meinem Haus versammeln, um zu beratschlagen, welchen Blödsinn sie als nächstes machen wollen, dieses Nacht nur in der Bar bleiben oder sich schnellstmöglich nach Hause begeben. Ich hatte mich also auf eine geruhsame Nacht gefreut, aber zum Glück hat man ja noch Nachbarn. Um vier Uhr Nachts wurde ich von einer mir bekannten Basslinie von den White Stripes geweckt, die ich zwar sonst sehr gerne höre, aber die ich um diese Uhrzeit wirklich nur hören möchte, wenn ich sie in meinem eigenen Radio anmache. Ignorieren, Ohren zu halten, selbst Musik hören - alles hat nichts geholfen, denn die Musik war einfach zu laut, um mich schlafen zu lassen. Gegegen sechs beschloss mein anderer Nachbar, dass auch ich an der akustischen Beteiligung an seinem Fernsehprogramm interessiert sei und drehte die Lautstärke auf ein völlig unmögliches Volumen. Nach 45 Minuten, in denen ich mit mir selbst diskutierte, dass ich ja trotzdem versuche könnte einzuschlafen und der Erkenntnis, dass das auf gar keinen Fall möglich sein wird, hab ich mich dann in meine Klamotten geschmissen und mich auf Mission begeben: Bei meinem unmittelbaren Nachbar hab ich dreimal heftig gegen die Wand geklopft, was offensichtlich ein sehr eindeutiges Zeichen war, denn ab dem Moment war die erste Lärmquelle versiegt. Dann bin ich um mein Haus gewandert, um rauszufinden, wo der Bass her kommt. Nach ein paar Minuten war mein Nachbar unter mir als Schuldiger enttarnt und ich versuchte mit lauten Klopfen an seiner Tür auf mich aufmerksam zu machen. Nachdem das nichts geholfen hat, habe ich ganz frech von der Tatsache Gebrauch gemacht, dass Amerikaner fast nie ihre Tür verschließen und hab einfach die Tür aufgemacht und ins Wohnzimmer gerufen, wo der junge Mann vor seiner Anlage auf dem Sofa eingeschlafen war. Er wurde dann auch schnell von meinem Rufen wach und war so überrascht, dass ihm meine Bitte um Verringern der Lautstärke sehr nachvollziehbar erschien. Ich bedankte mich artig, watschelte zurück in meine Bettchen und konnte um sieben dann endlich schlafen!

So, das waren die bedeutenden Vorkommnisse der letzten Wochen!
Liebe Grüße nach Deutschland und den Rest Amerikas!

2 Comments:

At 3:30 PM, Anonymous Anonymous said...

Liebe Charly,

das meiste aus deinem Eintrag hatte ich ja schon am Telefon gehört, aber geschrieben ist es auch nochmal sehr lustig!
Deine Mama hat mich heute angerufen. Sehr lieb, hab mich sehr gefreut!

Liebe Grüße, Siiri

 
At 1:00 AM, Blogger Kathrin said...

Liebe Gine,
I love your stories..:) Leider schaffs ich grad mal wieder nicht, bis zu einer Kansas-Telefonier-kompatiblen Zeit wach zu bleiben, um dich anzurufen....spätestens um halb 11 bin ich so tot....
Werd mir weiter Mühe geben und dann hören wir uns bald, ja?
Dicker Kuss,
Kathrin

 

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