da sind wir wieder
Guten Morgen und ein schönes Wochenende wünsche ich aus dem noch sommerlichen Kansas!
Ich sitze hier gerade, schlürfe meinen Tee und löffle mein Frühstück in mich hinein und dachte, dass es doch mal wieder höchste Zeit für ein paar Zeilen an die Heimat ist.
Auch wenn ich mich nicht direkt an der politischen Diskussion beteilige, die innerhalb der letzten Kommentare stattgefunden hat, möchte ich doch sagen, dass ich es ganz großartig finde, dass diese Seite auch für diese Zwecke genutzt wird! Also weiter so, immer heraus mit der Meinung! Genau für sowas ist dieses Forum hier gedacht!
Meine letzten Wochen waren ganz schön hart, wie ihr sicherlich an dem Mangel an Einträgen erkannt habt. Meine Studenten mussten ihren ersten Test und Essay schreiben, die mussten dann natürlich korregiert werden, was unglaublich viel Zeit in Anspruch nimmt. Ich musste zwei Referate vorbereiten, für einen Quiz lernen, an meiner ersten Hausarbeit arbeiten und nebenbei noch täglich den Unterricht vorbereiten und lesen und und und....Ja, da war ganz schön viel zu erledigen und ich immer froh, wenn ich es irgendwann um Mitternacht in mein Bett geschafft habe. Die gute Nachricht ist, dass bis auf vier Ausnahmen der Test sehr gut gelaufen ist und auch bei den Essays alle im A- und B-Bereich lagen (trotz des fehlenden E's auf der Notenskala). Meine Referate sind auch recht gut gelaufen und so hat sich der ganze Stress auf jeden Fall gelohnt.
Zwei Highlights konnten in diesem ganzen Arbeitsberg trotzdem noch platziert werden:
Am letzten Montag war ich mit Scott und John Paul in Marysville. Das ist ein kleines Örtchen ca. 2,5 Stunden von Lawrence entfernt, wo sich einmal im Monat 60-70 Leute zwischen 3 und 85 treffen, um Plattdeutsch zu lernen oder zu sprechen. Es handelt sich dabei meist um Menschen, deren Eltern oder Großeltern aus dem Norden Deutschlands nach Amerika ausgewandert sind und die zu Hause dann immer noch weiter Plattdeutsch gesprochen und das dann auch an ihre Kinder und Enkelkinder weitergegeben haben. Und diese Kinder und Enkelkinder kommen jetzt monatlich zusammen, um die Sprache zu pflegen oder sie ihren Kindern und Enkelkindern beizubringen. Es gibt verschiedene Gruppen, für die jeweils eine Art Unterricht vorbereitet wird und dann wird erstmal 2 Stunden Platt gesnakkt. Und meine Lieben, was soll ich sagen, es war einfach mal unglaublich schön und super lustig, da die Leute nicht nur sprechen, als wenn sie aus dem Norden sind, sondern auch charakterlich sehr ähnlich sind. Als ich mit Scott in die Schule kam (wo diese Treffen stattfinden), kam gleich ein Mann (Dawn,ca.85) auf uns zu gestiefelt und fragte im breitesten Platt, wer ich denn sei. Scott antwortete (natürlich auch auf Platt), dass ich eine Frau sei, die er aus Lawrence mitgebracht hätte. Darauf Dawn (in Platt): Was, das ist ne Frau. Na das müssen wir uns doch erstmal angucken! Und drehte mich daraufhin einmal um meine eigene Achse, um mich von vorne und hinten begutachten zu können und zu dem Resultat zu kommen: Ja, dazu können wir Frau sagen! Scott wurde ganz rot und verlegen, ich habe lauthals gelacht und Dawn war mit dem Ergebnis offensichtlich auch ganz zufrieden. Großartig!! Den Rest der Zeit habe ich dann mit 8 Damen zwischen 60 und 70 Jahren verbracht, die die sogenannte Sprecher-Gruppe sind. Sie können richtig gut Platt und haben Aufgaben zu lösen, wo sie hauptsächlich sprechen und ihr Vokabular erweitern. Dabei ist es unglaublich spannend, wie sich das Platt hier drüber entwickelt hat, da es Worte gibt, die man im deutschen Platt gar nicht kennt. Entweder sind es Wörter, die sie erfunden haben, weil sie für diese Dinge in Deutschland keine Bezeichnung hatten und die es dann so auch nicht im Englischen gibt (Stinktier ist zum Beispiel Pisscat anstelle von Skunk) oder sie haben einfach Wörter aus dem Englischen übernommen und in ihre Sprache integriert. Angewandte Linguistik vom Feinsten!! Ja, die Mädels und ich hatten dann auch richtig viel Spaß und haben viel gelacht. Das ich beim nächsten Mal wieder mitkommen "muss", wurde schon festgelegt und ich freue mich schon jetzt riesig darauf. Denn neben dem Abend selbst war auch die Fahrt mit Scott und John Paul sehr schön. Auf dem Rückweg (ca.21.30) haben wir auf einem Feld gehalten und für 10 Minuten den Sternenhimmel angeschaut - einer der friedlichsten und schönsten Momente seit dem ich hier bin.
Das zweite wichtige Ereignis dieser Tage war, dass ich meinen ersten Kürbis geschnitzt habe. Hier ist ja nun bald Halloween und überhaupt Kürbiszeit und da habe ich einen Kürbis geschenkt bekommen. Und weil ich natürlich immer gewillt bin, in die Tiefen der amerikanischen Subkultur hinabzusteigen, habe ich beschlossen, diesen Kürbis dann auch mal entsprechend zu gestalten. Zusammenfassend sei bemerkt, dass das die widerlichste Angelegenheit überhaupt ist. So einen Kürbis auszuhöhlen, ist einfach abartig, zumal wenn man währenddessen bemerkt, dass man den Geruch von frischem Kürbis nicht wirklich erfrischend, sondern eher zum brechen findet. Naja, wie jeder weiß, ist meine Begabung im feinmotorisch-handwerklichen Bereich eher unterdurchschnittlich, weshalb das Schnitzen eine ganz schön schweißtreibende Angelegenheit wurde, denn ich wollte das gute Ding ja nicht komplett verunstalten. Ich muss sagen, ich bin mit dem Ergebnis doch recht zufrieden, muss das aber nicht noch einmal machen (außer ich finde jemanden, der mir den Kürbis vorher ausnimmt).
Aus meiner Klasse gibt es nicht soviel Neues zu berichten. Seit dem die Studenten auf deutsch free-stylen müssen, wenn sie zu spät kommen, sind die meisten von ihnen richtig pünktlich oder haben zumindest schon ein paar Zeilen vorbereitet, was dann zwar nicht mehr richtig free-stylen ist, aber immerhin dazu führt, dass sie auch schon über Deutsch nachdenken, wenn sie noch nicht in meinem Klassenzimmer sind!
Schönstes Ereignis der Woche: Die Regeln besagen, dass wenn das Handy im Unterricht klingelt, derjenige, dem es gehört, singen muss. Passiert das ganze das zweite Mal in der Woche rufe ich jemanden an. Tja, nun ist dieser Fall doch tatsächlich zum ersten Mal eingetreten, was dazu führte, dass ich im Unterricht, die Mutter einer meiner Schüler angerufen haben, um ihr zu sagen, dass ihr Sohn ein echt guter Schüler ist und auch ein B schaffen könnte, wenn er sich anstrengt, aber dass ich ihr sehr dankbar wäre, wenn sie mit ihm noch einmal über ein paar Dinge sprechen könnte, z.B. sein gelegentliches Zuspätkommen, das häufige Quatschen im Unterricht oder aber das Klingeln seines Handys, was der eigentliche Grund für meinen Anruf sei. Die Mutter hat sich sehr über meinen Anruf gefreut und sich bedankt, dass ich mich so um ihren Sohn kümmere. Ihr Sohn hat mich die ganze Zeit völlig fassungslos angestarrt und der Rest der Klasse hat sich sehr gefreut.
Diese Aktion dürfte jetzt wohl dazu geführt haben, dass tatsächlich niemand mehr sein Handy im Unterricht anhat und dann habe ich mein Ziel doch erreicht!
So, ich werde mich jetzt mal zurück an meine Arbeit werfen, da ich am Montag eine perfekte Gliederung inklusive Textbeispiele für meine erste Arbeit abgeben muss und da noch einiges zu tun ist.
Heute Abend gehe ich auf das Konzert von Galexico - eine sehr tolle Band, die ich dank schwesterlichen Einflusses schon in Deutschland gekannt habe und heute nun endlich mal live bewundern kann. Wer sich dafür interessiert, kann ja mal auf www.youtube.com klicken und Galexico eingeben. Die Seite ist sowieso jedem zu empfehlen, da man dort auf allerlei Leckerbissen der Musikszene inklusive Video stoßen kann.
Fühlt Euch auf das herzlichste umarmt! Hoffentlich könnt Ihr das Wochenende genießen! Bis bald!